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US-Zinserhöhung in weiter Ferne - Goldpreis gut unterstützt

von Andreas Speer E-Mail 04.03.10 14:29:23

Der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Halbjahr 2009 war in vielen Ländern überraschend hoch ausgefallen. So legte beispielsweise die Wirtschaftsleistung in den USA mit einer Jahresrate von real 4,8% gegenüber dem ersten Halbjahr 2009 zu. Zudem hat die konjunkturelle Dynamik im neuen Jahr bislang kaum nachgelassen. Vor diesem Hintergrund wird seit einiger Zeit heftig über die Frage diskutiert, wann die US-Notenbank dem Beispiel anderer Währungshüter folgen und den maßgeblichen Leitzins, den Tagesgeldzielsatz (Fed Funds Target Rate), anheben wird. Dies hätte nach gängiger Ansicht erhebliche negative Auswirkungen auf den Goldpreis. Ich zeige im Folgenden auf, dass beide Sorgen aus heutiger Sicht weitgehend unbegründet sind.

Es ist wenig überraschend, dass vor dem Hintergrund des beispiellosen Umfangs an Konjunkturprogrammen in Höhe von 750 Mrd. USD gepaart mit einer extrem expansiven Geldpolitik in dem einen oder anderen Quartal starke BIP-Zuwächse zu verzeichnen sind. Überzeugen können diese aber auch aufgrund der schwachen privaten Nachfrageentwicklung keineswegs. Untersuchungen kommen sogar zu dem Ergebnis, dass die US-Wirtschaft ohne staatliche Maßnahmen weiter geschrumpft wäre.

Die Vergangenheit zeigt zudem, dass das Ende einer Rezession nicht zwangsläufig bedeutet, dass ein kräftiger Aufschwung einsetzen wird. Auf eine Rezession kann auch sehr anämische Entwicklung folgen. So ist beispielsweise die Industrieproduktion von Juli 1929 bis März 1933 um über 50% eingebrochen und es dauerte bis zum Dezember 1936, also gut 3½ Jahre, bis das Produktionsniveau vom Juli 1929 wieder erreicht wurde. Ähnlich war die Situation Anfang des neuen Jahrtausends. Obwohl die Rezession offiziellen Angaben zufolge bereits im November 2001 endete, wurde das Niveau von vor der Rezession erst im Oktober 2004 überschritten. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in den USA nicht nur eine normale konjunkturelle Rezession wütete, sondern sich vor allem strukturelle Schwächen ihren Weg bahnten, ist davon auszugehen, dass das Tempo der Erholung auch dieses Mal schwach ausfallen wird.

Dennoch wetten zahlreiche Marktteilnehmer aufgrund des bisherigen Wachstumsverlaufs darauf, dass erste Leitzinserhöhungen bereits dieses Jahr erfolgen werden. Gegen einen derart frühen Zeitpunkt spricht aber schon allein die Historie. In der Vergangenheit war es zwar so, dass die Fed im Durchschnitt 12 Monate nach dem Ende einer Rezession die erste Leitzinserhöhung vorgenommen hatte. Jedoch hat sie sich bei den letzten beiden Rezessionen, die wie die jetzige ebenfalls durch das Platzen von „Asset-Bubbles“ ausgelöst wurden, deutlich länger Zeit gelassen und zwar 36 bzw. 31 Monate. Und nicht nur das: Die Fed hat damals sogar noch weit nach dem Ende der offiziellen Rezessionen die Leitzinsen weiter gesenkt und nicht etwa zügig erhöht. So gesehen reicht es nicht aus, lediglich auf das Wachstum zu achten. Die Fed achtet bei ihren Entscheidungen aufgrund ihres Mandats (u.a. maximale Beschäftigung und geringe Teuerung) nämlich besonders auf den Arbeitsmarkt.

Seit dem zweiten Weltkrieg gab es keinen einzigen Fall, in dem die Leitzinsen angehoben wurden, wenn die Arbeitslosenquote zuvor nicht gefallen war und zwar im Durchschnitt um 0,7 Prozentpunkte.

Ist eine solche Entwicklung wahrscheinlich? Immerhin fiel die Arbeitslosenquote bereits von 10,1% im Oktober 2009 auf 9,7% im Januar 2010. Um die Arbeitslosenquote beispielsweise auf 9% innerhalb von 12 Monaten zu drücken, müssten insgesamt 1,5 Mio. Stellen bzw. 125 Tsd. Stellen pro Monat neu besetzt werden. Das hört sich vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Dynamik machbar an. Dies ist jedoch nur ein (positiver) Extremwert von insgesamt zweien. Die Arbeitslosenquote wird nämlich nicht nur von der Zahl der Arbeitslosen beeinflusst, sondern auch vom arbeitsfähigen Bevölkerungszuwachs und der Erwerbsbeteiligung. Letztere steigt in der Regel an, wenn zuvor entmutigte Arbeitnehmer (stille Reserve) aufgrund einer wirtschaftlichen Besserung dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stehen. Die Erwerbsbeteiligung sank zwar bereits seit 2001. In der jetzigen Rezession war diese aber noch einmal dramatisch rückläufig und verzeichnete im Dezember 2009 mit 64,6% den niedrigsten Stand seit August 1985. Berücksichtigt man nun einen arbeitsfähigen Bevölkerungszuwachs von 1% pro Jahr und eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung auf das Niveau von vor Ausbruch der Krise auf 66,1%, müssten 380 Tsd. Stellen pro Monat geschaffen werden, nur um die Arbeitslosenquote konstant zu halten. Um den Vergleich zu obigen Beispiel herzustellen, müssten insgesamt 6,15 Mio. Stellen bzw. 513 Tsd. Stellen pro Monat neu besetzt werden, um die Arbeitslosenquote innerhalb eines Jahres auf 9% zu senken. Dies ist das andere (negative) Extremszenario. Die Wahrheit dürfte wie so oft in der Mitte liegen. So gesehen wäre ein Anstieg der Gesamtbeschäftigung um gut 300 Tsd. pro Monat notwendig, um die Arbeitslosenquote per Dezember 2010 auf 9% zu senken. Dies allein ist schon unwahrscheinlich. Zudem ist vor dem Hintergrund der voraussichtlich spürbar nachlassenden konjunkturellen Dynamik in diesem Jahr aber sogar eher zu befürchten, dass die Arbeitslosenquote im Laufe dieses Jahres wieder ansteigt.

Welche Rolle spielt die Teuerung bei Leitzinsentscheidungen? Keine unwesentliche. So hat die US-Notenbank die Leitzinsen vergleichsweise früh nach einem Peak der Arbeitslosenquote erhöht, wenn die Teuerung wie in den siebziger bzw. zu Beginn der achtziger Jahre zu hoch war. Auf der anderen Seite war die Inflationsrate Anfang der sechziger und neunziger Jahre sowie vor allem 2003/04 besonders niedrig. Deshalb konnte es sich die Fed erlauben, das Wachstum viel länger als sonst zu befeuern und gleichzeitig den Deflationsgefahren entgegenwirken. Im Januar 2010 betrug der Zuwachs des für die Fed maßgeblichen Deflators des privaten Verbrauchs ohne Nahrungsmittel und Energie 1,4% gegenüber dem Vorjahr. Dies ist vergleichsweise sehr niedrig und die geringe Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten birgt sogar die Gefahr eines weiteren Rückgangs. Somit spricht die heutige Situation, die weitaus prekärer ist als irgendeine seit dem zweiten Weltkrieg, eindeutig dafür, dass die Leitzinsen noch länger als in vergleichbaren früheren Phasen extrem niedrig sein werden.

Sollte die US-Notenbank in ferner Zukunft beginnen, die Leitzinsen anzuheben, muss dies nicht zwangsläufig negativ für den Goldpreis sein. Denn für den Goldpreis ist nicht das nominale, sondern das reale Zinsniveau ausschlaggebend. Solange die Inflationsrate über oder nahe dem nominalen Tagesgeldsatz liegt, wird der Goldpreis unterstützt. Aufgrund der langfristig inhärenten strukturellen Wachstumsschwäche der USA wird die Fed den realen Leitzins, wie sie es immer getan hat, niedrig halten, auch wenn sie dafür die erneute Bildung von „Bubbles“ in Kauf nehmen muss. Diese sind derzeit aber kaum auszumachen.

Andreas Speer
Senior Economist und Commodity Analyst

www.uhu-und-specht.de

2 Kommentare

Kommentar from: Ernst Kerscher [Besucher]
*****
Hallo Herr Speer. Sie haben die Rhetorik der Fed durchschaut. Die Fed muss man an ihren Taten messen und nicht and ihren Worten. "Huete sich vor ihren Taten wer kann". Sehr kompetente Analyse, Herr Speer.
04.03.10 @ 15:40
Kommentar from: Nikodemus [Besucher]
Die Interpretation der Statistiken ist zwar lesenswert, bietet aber meiner Meinung nach keine Sicherheit hinsichtlich der zukünftigen Beurteilung des Papiergeldes, weil ständig die Systematiken, Abgrenzungen, Grundgesamtheiten geändert werden.

Bei der Beurteilung der Zukunft des Papiergelds überzeugt mich die einfache wie einleuchtende Beurteilung von David Morgan. Das Problem entsteht erst, wenn die Umlaufgeschwindigkeit zunimmt, weil massenhaft Menschen um jeden Preis das Papiergeld loswerden wollen. Das Problem hängt anscheinend offensichtlich nicht mit der Vergrößerung des Geldangebots zusammen. Denn die EZB hat genauso wie die FED die Ersparnisse der Sparer durch Monetarisierung von Wertpapieren substituiert, ohne daß es zu einer wesentlichen Inflation gekommen wäre.

Das Geldvermögen wird zu einem großen Teil von der älteren Generation für ihre Altersersparnisse gehalten. Diese Schicht ist konservativ und trennt sich ungern von ihrem Geld, frei nach Schopenhauer: „Armut im Alter ist ein großes Unglück.“ Und insgesamt denken die wenigsten Menschen über das Problem nach, weil der Gedanke einfach zu unangenehm ist. (Ich war seinerzeit sehr erstaunt, daß auch in der großen Inflation das Buch „Staatsbankrotte“ von Alfred Manes nur eine Auflage von 6000 erreichte!)

Die jahrzehntelangen Nullzinsen in Japan müssen doch auch - wie bei uns jetzt - auf einer Erhöhung des Geldangebots beruhen, ohne daß es zu einer Hyperinflation gekommen wäre.

Ich glaube eher, daß schwere soziale Unruhen durch immer mehr verzweifelte Schuldner im Rahmen der Aufschuldung, kriegerische Ursachen, wie in der großen Inflation der Ruhrkampf gegen die Besetzung durch die Franzosen, oder Naturkatastrophen wie Erdbeben in Kalifornien usw. plötzlich schlagartig die Sicherung des Papiergeldes aufwerfen werden.
05.03.10 @ 12:14

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