Ein Schreckgespenst für Goldanlager wird seit gestern mal wieder durch den Mainstream getrieben: "Goldverkäufe der Zentralbanken [...] Dem letzten Zufluchtsort Gold droht nun eine Zäsur!" schallt der Ruf durch die angelsächsische Anti-Gold-Kampfpresse - so zum Beispiel wie so oft in der FTD.

"Was ist geschehen?", fragt der im Umgang mit solcherlei Geblubber unerfahrene neue Goldanleger, der sich vielleicht gerade erst im Zuge der WAHREN historischen Zäsur des Euros (Mai 2010) bzw. des Dollars (2008) den glänzenden Ehrentitel "Goldbug aus Überzeugung" zugelegt und Gold gekauft hat.

Um es vorwegzunehmen: Ebensowenig wie der deutschen Fußball-National-mannschaft nach dem 0:1 gegen Spanien nun "eine Zäsur" droht - wird ein popliges Goldgeschäft einiger spanisch-italienischer Zentralbanken den Trend im Goldmarkt brechen. Widerstand in Form eines harten Gegners wird sowohl die Nationalkicker wie auch den Goldtrend mittelfristig nur stärken.

Aber hier nochmals Punkt für Punkt:

1. Einige südeuropäische PIGS-Zentralbanken sind bekanntlich mehr als klamm. Was liegt also aus politisch-notenbankerischer Sicht (man entschuldige die Synonyme) näher, als das Tafelsilber zu verhökern. TafelSILBER gibt es aber dummerweise keines mehr in den Notenbankkellern von Athen, Rom, Madrid und Lissabon - also nimmt man eben praktischerweise das noch verbliebene Tafelgold.

2. Dieses Gold liegt zwar in großen Teilen nicht in den eigenen Hauptstädten, sondern in London und ein Teil wohl auch in Zürich oder Basel bei der "Bank der Zentralbanken" BIZ. Aber das macht ja nichts - es soll ja ohnehin nichts bewegt werden (kostet ja nur Geld). Wozu gibt es das jahrelang bei der Goldkabale bewährte Mittel des Gold-Swaps? Die BIZ unterhält physische und Buchgoldbestände in London und in der Schweiz und garantiert auch anderswo - Buchgold ist scheu und flüchtig wie jedes Papierkapital.

3. So kommt es, dass -ein Wunder in der vernebelten Welt der Goldbuchhaltung- die BIZ doch tatsächlich in einer Fußnote ihres Geschäftsjahresberichts 2009/10 vermeldet, sie habe in 1Q2010 die konkret genannte Menge von 346 Tonnen Gold im Auftrag von (konsensual vermuteten aber nicht bestätigten) PIGS-Notenbanken gegen Papiergeldkredite auf ihre Bücher genommen.

4. So weit - so normal. Geschieht seit mindestens 1995 ständig und meist heimlich und es kommt soweit noch kein Material in den Markt und keiner außer ein paar suspekten Bloggern und GATAs und neugierigen Goldbugs regt sich über diese intransparenten Geschäfte oder auch über die umfassenden Goldleihegeschäfte der Zentral- und Geschäftsbanken auf. Zuallerletzt die angelsächsische Presse.

5. Und doch geht genau in dieser nun die Aufregung und der Mainstream-Spin los. So insinuiert die FTD heute wie folgt und mit sonor-seriöser Stimme und mahnendem Zeigefinger: "Sollten die Banken allerdings nicht in der Lage sein, die Milliarden zurückzuzahlen, bliebe die BIZ auf dem Gold sitzen - und könnte letztlich gezwungen sein, das Metall am Markt zu verkaufen". Und für den Fall, dass ein geistig minderbemittelter Kleinanleger mit möglichen Goldkaufabsichten darob noch immer nicht vor Angst in die Hosen macht, schiebt die FTD noch höchst explizit belehrend nach: "346 Tonnen entsprechen 60% der globalen Goldfördermenge im ersten Quartal dieses Jahres. [Ein Verkauf] ließe den Preis einbrechen. [...] Dem Goldmarkt, der vielen Investoren als letzter Zufluchtsort dient, droht nun eine Zäsur." :!:

6. Nun zweifelt natürlich zunächst niemand daran, dass die betroffenen Banken NIEMALS in der Lage sein werden, die durch den Swap erhaltenen Milliarden zurückzuzahlen. Wäre ja auch unerhört: im globalen Kredit-Ponzi-Spiel wird NIE Kredit zurückgezahlt - im Sinne von "getilgt". Sollten also wirklich [Zitat FTD] "klamme Zentralbanken ihr Gold auf den Markt werfen [müssen], und so das Vertrauen in das Metall unterminieren"?

7. Nein - wir können die so sehr um die Stabilität des Goldpreises besorgten FTD-Redakteure beruhigen: Schließlich gibt es statt echter TILGUNG im Alchemiekasten des modernen Keynesianismus immer das bewährte Instrument der Kredit-PROLONGATION und seit Mai 2010 in EUropa auch das der Kreditmüll-SOZIALISIERUNG!

8. Nicht umsonst haben sich die EUliten in Brüssel und die Geldmagier in Frankfurt im Mai 2010 im Rahmen ihres erfolgreichen sozialistischen Putsches von oben gleich VIER neue Kredit(schöpfungs)töpfe herbeigezaubert:
a) 60 Mrd. EUR zur freien Krisenbekämpfungs-Verfügung der EU-Kommission
b) 440 Mrd. EUR höchst "freiwilliger, bilateraler" Länderhilfen von höchst theoretisch ALLEN EU-Ländern
c) 125 Mrd. EUR IWF-Kredite und Kreditgarantien
d) Theoretisch unbegrenzte Millliarden EUR der EZB
=> Und wenn das nicht reichen sollte? Nun, für den Fall hat EU-Ratspräsident Van Rompuy ja in entwaffnender Ehrlichkeit schon klar signalisiert "Wenn es nicht ausreicht, machen wir noch mehr."! Und da Papierkreditgeld in der Schöpfung nicht mal etwas kostet, ist Merkels analoger Spruch "Koste es was es wolle!" jederzeit glaubhaft und damit eigentlich eine Tautologie.

9. Wir lernen somit: Die PIGS werden nicht voller Verzweiflung ihr Restgold in den Markt swappen müssen. Denn die o.g. Töpfe a) bis c) sind bereits im Mai formal institutionalisiert worden in Form des berühmt-berüchtigten, nicht veröffentlichungspflichtigen, niemandem ernsthaft Rechenschafts-pflichtigen luxemburgischen SPV namens "European Financial Stability Facility / EFSF". Diese "facility" (schwer zu übersetzen - nennen wir sie "Fazilität" ;D ) ist formal nur auf drei Jahre angelegt. Wie der kluge HVB-Analyst Purps aber gestern in einem Vortrag sehr treffend meinte, rechnet er damit, dass diese Fazilität uns noch über Jahrzehnte begleiten wird. Und ich füge einschränkend hinzu: Jedenfalls bis zum Ende des Euros. EFSF-Chef Regling und seine namentlich nicht weiter bekannte Truppe werden künftig ein Budget verwalten, das ganze Staatshaushalte in den Schatten stellen wird. In geradezu absolutistischer Gutsherrenart wird diese Truppe ohne ernsthafte parlamentarisch-demokratische Kontrolle jede Woche über die Allokation von Abermilliarden Euros entscheiden. :!:
=> Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, dass hier wohl zunächst am Markt völlig unverkäufliche PIGS-Anleihen zu nominal aufs Buch genommen werden - und morgen dann BP-Notanleihen monetarisiert werden - übermorgen Hilfen für private oder bereits teilverstaatlichte notleidende Banken à la Royal Bank of Scotland - überübermorgen dann "Politprogrammanleihen gegen Rechts" der deutschen Bundesregierung - und dass zuletzt jede noch so abstruse Politidee finanziert wird, die ein EU-Staat parlamentarisch niemals budgetiert bekäme, medial niemals vermittelt bekäme oder schlichtweg rein substanziell niemals bezahlen könnte! Die offiziellen EU-Staatshaushalte mit einem Rest an parlamentarischer Kontrolle werden über kurz oder lang eher "Resthaushalte" neben der riesigen toxischen Müllhalde namens EFSF werden!
=> Die Monetarisierungen der EZB gibt es zu allem Kredit-Überfluss noch on top: sie macht de facto das gleiche - ebenso ohne ernsthafte Veröffentlichungspflichten und ohne parlamentarische Kontrolle.
>:XX

10. Dies, liebe Leser, ist also die schöne neue Welt der zentralistischen EUropäischen Planwirtschaft, die letztlich aber natürlich nur ein Abklatsch der US-Fed-Planwirtschaft ist. Dies ist der Grund für mein Verdikt vor einigen Wochen in "Wollt Ihr den totalen EUro?":
"Unverantwortliche Inflationspolitik, EUropäischer Fiskalsozialismus. Jeder greift in jedermanns Tasche und niemand ist mehr für irgendetwas verantwortlich. Willkommen in der Haftungs-, Schulden-, Inflations- und Siechtumsunion! Am Ende dieses Prozesses wird eine Währungsreform stehen, die mit der weitgehenden Vernichtung der Ersparnisse verbunden sein wird. Das ist expliziter Verfassungsbruch mit Ansage, Bruch des Amtseids 'Schaden vom Volk abwenden', vorsätzlicher Verrat am Volk und der demokratischen Grundordnung. "

11. Und nur mal als Gedankenspiel: sollten TATSÄCHLICH all die o.g. Töpfe versagen; sollten ernsthaft die Kreditquellen wegen rapidem Vertrauensverlust der Märkte und Menschen in dieses Ponzi-Spiel einmal versiegen; sollten DANN tatsächlich die PIGS-Zentralbanken genötigt sein, ihre vielleicht noch gut 3000 Tonnen an Goldmaterial AUCH noch auf den Markt zu werfen bzw. dieses Gold als einzige dann noch akzeptierte Sicherheit für weitere Kredite zu verpfänden ...
=> ... dann wären das nichts anderes als die letzte Zuckungen vor dem EUropäischen Offenbarungseid. Das hatten wir auch schon anno 1990, als die agonische Sowjetunion gegen Ende ihrer Tage das letzte Restgold aus der Zarenzeit auf den Markt warf, bevor sie dann unglamourös ableben durfte.
=> In DIESER Situation würden nicht nur 300 oder 3000, sondern sogar 30.000 Tonnen auf den Markt "geworfenes" Gold nur eines tun: In der Gluthitze der Nachfrage verdampfen...

"Liebe FTD magst ruhig sein.
Fest steht das Gold - das Gold allein!"

[sehr frei nach der "Wacht am Rhein"]

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EDIT 8.7.2010, 15 Uhr:

Mittlerweile berichtet das WSJ, dass es sich statt um NOTENbanken auch um GESCHÄFTSbanken handeln könnte, die "ihr Gold" bei der BIZ gegen Papiergeld geswapt haben.

=> Falls dies zutreffend sein sollte, würde es die Aussagen oben nicht relativieren. Ganz im Gegenteil kämen dann noch zusätzlich bedenkliche Aspekte in die Geschichte: Es wäre im Markt nicht bekannt, ob bzw. dass irgendwelche Geschäftsbanken physisches Gold in diesen Größenordnungen (346 Tonnnen) auf eigene Rechnung halten. Wenn sie dies aber NICHT tun und TROTZDEM Gold swappen, so kann es nur Gold sein, das ihnen ihre eigenen KUNDEN zur Verwahrung überlassen haben - sei es allokiert (ETFs) oder unallokiert (Goldkonten). Wie an anderer Stelle bereits einmal angemerkt, wollen all diese privaten und institutionellen Goldhalter natürlich uneingeschränktes LONG-exposure auf ihre Ware haben - sind also generell positiv für den Goldaufwärtstrend eingestellt und profitieren von ihm. Jeder (auch nur "temporäre") Verkauf oder Swap durch die verwahrenden Geschäftsbanken wäre somit moralisch illegitim - wenn auch vermutlich wegen Swap-Bestimmungen im Kleingedruckten nicht illegal.

=> Sollte das WSJ also recht haben, dann sollten sich die (natürlich wie immer ungenannten) Geschäftsbanken eine GUTE Erklärung zurechtlegen, was sie hier für Geschäfte zu Lasten ihrer eigenen Kunden machen ...