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Weshalb wird Bundespräsident Christian Wulff gerade jetzt angeschossen?

von Prof. Dr. Eberhard Hamer E-Mail 03.01.12 12:00:30

Christian Wulff war bis zu seiner zweiten Heirat ein guter Ministerpräsident in Nieder-sachsen. Er hat viel bewegt und Ruhe ausgestrahlt. Das hat sich allerdings seit seiner zweiten Heirat verändert. Seitdem ist Wulff – vor allem als Bundespräsident – für manche politische Pirouette ("Islam gehört zu Deutschland" u.a.) kritisiert und unverständlich geblieben. Darauf bezieht sich aber die öffentliche Kritik nicht, sondern auf sein angeblich angreifbares Privatverhalten mit Unternehmern.

Bei anderen Politikern (Süßmuth, Rau u.a.) hat man sogar Privatreisen auf Staatskosten gedeckt. Warum nun bei Wulff private Einladungen vorwerfbarer sein sollten, ist nicht einzusehen. Er kann seine Freunde besuchen oder sich von Freunden einladen lassen wie er will – auch als Ministerpräsident.

Man hat den Eindruck, dass die derzeitige Kampagne gegen Wulff nicht aus dürftigen sachlichen Vorwürfen mündet, sondern ihn aus einem anderen Grunde um sein Amt zittern lassen soll: Wulff muss im Januar den staatsrechtlich problematischen, wenn nicht verfassungswidrigen Vertrag zur Abgabe der Finanzsouveränität, den ESM (= Europäischer Stabilitätsmechanismus), unterschreiben, der schon jetzt als "zweiter Ermächtigungsvertrag" in den Publikationen diskutiert wird. Die Berater von Wulff haben ihm wohl abgeraten. Wulff ist im Gegensatz zu Köhler Jurist und weiß um die Problematik von Unterschriften unter möglicherweise verfassungswidrige Verträge. Köhler hatte erst nach der Unterschrift Bedenken und Scham, Wulff schon vorher. Soll er jetzt durch diese Angriffe unterschriftsreif geschossen werden?

Immerhin könnte ein als Jurist denkender und aufrechter Wulff seine Unterschrift unter den EFM-Vertrag verweigern und vor Unterschrift zurücktreten, statt erst nachher. Dann hätte die Kampagne über die privaten Kleinkariertheiten immer noch Ablenkungscharakter für den viel wichtigern Rücktrittsgrund seiner Verfassungsbedenken.

Tritt er aber nicht zurück und unterschreibt er, hätte die Kampagne ihm rechtzeitig vorher die nötige Lehre erteilt, dass man der internationalen Finanzindustrie und der Europakommission nicht widersprechen darf.

© Prof. Dr. Eberhard Hamer
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