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Arsen & Cadmium - zwei giftige Gesellen

von Hans Jörg Müllenmeister01.11.09 16:35:41

Nichtsahnend hatte schon Ötzi, der Gletschereismensch aus den Alpen, vor fünftausend Jahren Kontakt mit Arsen. In seinen Haaren wies man Arsen nach. Möglich, dass er in einem Kupferbergwerk schuftete, denn Kupfererz ist oft mit Arsen angereichert. Schon am byzantinischen Hof kannte man die Giftigkeit von Arsentrioxid, dem Arsenik. Das italienische Adelsgeschlecht der Borgia-Dynastie wußte gezielt das damalige Hightech-Mordgift unentdeckt mit List und Tücke einzusetzen. Sie bereiteten manch unliebsamen Zeitgenossen die vorzeitige Himmelfahrt. Einige Historiker meinen, dass Napoleon auf Sankt Helena durch austretende arsenhaltige Ausdünstungen der mit Pariser Grün bedruckten Tapeten dahin sichte. So betrachtet, erscheint uns Arsen eher als eine medizinische Morddroge und nicht als Halbmetall. Vor rund 1960 Jahren verordnete der griechische Arzt Dioskorides das Mineral Realgar As4S4 gegen Asthma und geringe Mengen Arsenik wurden gegen Hautkrankheiten oder Blutarmut verabreicht. Die Dosis macht’s eben.

Einen Aufschwung erlebten arsenhaltige Arzneimittel zu Beginn des 20ten Jahrhunderts. Melarsoprol galt lange Zeit als das beste Mittel gegen die Schlafkrankheit, und es wird heute noch eingesetzt. Der Chemiker Paul Ehrlich entwickelte das arsenhaltige Arsphenamin. Das 1910 in die Therapie der Syphilis eingeführte Mittel stellte die erste antibiotisch wirksame Substanz dar - sie war Vorbild für die Entwicklung der bis heute verwendeten Sulfonamide.

Im 17ten Jahrhundert mixten holländische Maler aus dem gelben Auripigment die begehrte Farbe Königsgelb. Heutzutage ist Cadmiumsulfid eher gefragt als gelbes und tiefrotes Farbpigment; es ist chemisch resistent und besitzt Lichtechtheit. Ab 1740 nutzte man Arsenpräparate erfolgreich als Beizmittel im Pflanzenschutz. Im Bleiguss, insbesondere für Gewehrkugeln und Akkumulatoren, geben Arsen wie auch Antimon der Legierung die nötige Härte. In niedrig schmelzenden Legierungen setzt man dagegen Cadmium ein, z. B. als Lagermetall oder "Woodsches Metall" - eine Legierung mit Zinn, Blei und Wismut.

Mit metallischem Arsen erzeugte man früher gelegentlich mattgraue Oberflächen auf Metallteilen, um eine Patina vorzutäuschen. Auch Cadmium dient dem Oberflächenschutz. Ein großer Anteil der Cadmium-Produktion, nämlich 25 bis 30% nutzt man zum Galvanisieren und Bedampfen von Eisen als wirksamer Rostschutz.

In einigen Ländern wird Kupferarsenitacetat als Schädlingsbekämpfungsmittel im Weinbau, als Antipilzmittel in der Holzindustrie, als Rattengift und als Färbungsmittel in der Glasindustrie verwendet. In der Hochfrequenztechnik spielt Arsen als hochreines Element in Gallium-Arsenid-Halbleitern eine wesentliche Rolle. Arsenverbindungen ermöglichen auch ein geordnetes Kristallwachstum (Epitaxie-Schichten) auf so genannten Wafern für Integrierte Schaltkreise, Leucht- und Laserdioden.

Technisch gesehen ist das silbrig-weiße Schwermetall Cadmium seinem Gifthalbbruder Arsen an Vielseitigkeit überlegen. Wichtige Halbleiter sind die gelben Cadmium-Chalkogenide, das rote Cadmiumselenid und das schwarze Cadmiumtellurid. 30% der Produktion wird für Elektroden in Akkumulator-Batterien eingesetzt, z.B. Ni-Cd- oder Ag-Cd-Akkumulatoren. Diese haben gegenüber dem Bleiakku den Vorteil, dass der Elektrolyt während des Ladezyklus unverändert bleibt. Weiterhin nutzt man Cadmiumoxid als Zusatz in Blau- und Grünphosphor von Farbröhren, setzt Cadmiumsulfid in Belichtungsmessern ein, deren spektrale Empfindlichkeit der des menschlichen Auges gleicht, nimmt Cadmium-Stearat als Stabilisator in Kunststoffen, verwendet Cadmiumtellurid als infrarotempfindliche Sensoren für Kameras oder als in Dünnschicht-Solarzellen. Nicht zuletzt sind Helium-Cadmium-Laser im Einsatz. Cadmium erreichte 1960 vorübergehend Berühmtheit, denn man definierte die Maßeinheit "1 Meter" als die 1.553.164,13-fache Wellenlänge einer roten Cd-Spektrallinie.

Das Halbmetall Arsen gibt es wie Antimon in drei Modifikationen, nämlich als graues, gelbes und amorphes Arsen. Graues Arsen ist die stabilste Form; sie tritt als metallische, elektrisch leitende Modifikation auf: Die spröden Kristalle verbrennen beim Erhitzen zu Arsentrioxid. Ab 613°C sublimiert Arsen, d. h. es geht direkt vom festen in den gasförmigen Zustand über. Das gelbe, unbeständige und nichtleitende Arsen ist eine weiche, kristalline Masse - ähnlich dem weißen Phosphor. Schwarzes, amorphes Arsen entsteht, wenn man den zitronengelben Arsen-Dampf an 100 bis 200°C warmen Oberflächen abkühlt; es vermag ebenfalls den elektrischen Strom nicht zu leiten.

Erstaunlich, aber reines Arsen ist ungiftig, dafür um so mehr sind es seine Verbindungen, z. B. Arsenik. Arsen in kleinen Dosen über längere Zeit genossen, führt keineswegs zur Vergiftung. Während 0,4 Gramm bei einem Menschen todsicher zu seiner Temperatursenkung führt, ist diese Menge für Arsensüchtlinge harmlos. Im 17ten Jahrhundert verzehrten zur Stimulans manche Alpenbewohner lebenslang zweimal wöchentlich bis zu 250 Milligramm Arsen - eine Dosis, die für einen normalen Menschen tödlich ist. Auch die Bewohner in der hochgelegenen chilenischen Atacamawüste haben sich an Arsen gewöhnt. Ihr Trinkwasser ist hochgradig mit Arsen "angereichert".

Im I. Weltkrieg fand Arsen seinen todbringenden Einsatz als chemischen Kampfstoff wie in Blaukreuz-Granaten. Im II. Weltkrieg hantierten die USA mit dem "nützlichen" Einsatz einer Cadmiumverbindung als chemischer Kampfstoff. Nun ja, man fand auch heraus, dass Cd-113 im Kernreaktor die moderierten Spaltneutronen aufnimmt, um so die Aktivität des Reaktors zu reduzieren. Während arsenige Säuren krebserzeugend sind, ist für einige Organismen Arsen essentiell. Kürzlich stellte ein britischer Biologe fest, dass Regenwürmer in der Nähe arsenhaltiger Minen gelbgefärbt sind. Übrigens, bei einem Bleigenuß des Erdbewohners färbt sich das Getier pechschwarz. Dagegen läßt Zink den "Erdwurmdetektor" durchsichtig erscheinen. Was die Verträglichkeit anbelangt, gilt ähnliches für Cadmium. Für Ratten ist Cadmium, in Spuren aufgenommen, sogar essentiell. Dagegen wirkt beim Menschen 1 Gramm Cadmium eher lebensverkürzend.

Die biologische Bedeutung von Arsen für den Menschen liegt weitgehend im dunklen. Arsen findet sich als Spurenelement im menschlichen Körper mit etwa 7 Milligramm. Die tägliche Arsenaufnahme über die Nahrungsmittel liegt bei etwa einem Milligramm. Lösliche Arsenverbindungen werden leicht über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen und im Körper über die Blutbahn verteilt. Arsen lagert sich im ppm-Bereich ab, vor allem in den Muskeln, Knochen und Nieren, der Lunge und in den Haaren. Blut enthält bis zu acht ppm Arsen, dort führt es zur verstärkten Bildung von roten Blutkörperchen. Sein schwererer Giftgenosse Cadmium findet sich in nahezu allen Lebensmitteln. Vorsicht Raucher: Tabakrauch transportiert relativ große Cadmiummengen in die Lunge. Während im Körperdepot eines Nichtrauchers etwa 15 mg Cd lagern, führt ein Raucher an die 30 Milligramm im Depot. Dumm ist, dass der menschliche Organismus nur 1µ Gramm pro Tag wieder ausscheidet.

Meerestiere wie Muscheln und Garnelen enthalten bis zu 175 ppm Arsen. Bei Pflanzen erhöht das Halbmetall den Kohlehydrat-Umsatz. Der gebänderte Saumfarn Pteris vittata hat einen regelrechten Arsenheißhunger und vermag bis zu 5% seiner Trockenmasse von diesem Halbmetall aufzunehmen. Deswegen setzt man die schnellwachsende Pflanze zur biologischen Säuberung arsenkontaminierter Böden ein.

Da Gaben von Arsen sauerstoffbildende Blutkörperchen forcieren, nutzten früher Trainer von Rennpferden Arsen zum illegalen Doping - heute kann man dieses Doping leicht im Urin nachweisen.

Und wo finden sich cadmiumreiche Nahrungsmittel? Allen voran sind das getrocknete Pilze mit 120 ppm/100 Gramm, aber auch Leber, Muscheln, Seetang, Kakaopulver und Leinsamen.

Die Weltvorräte an Arsen schätzt man auf über 10 Millionen Tonnen, die Weltproduktion von Arsentrioxid liegt bei jährlich 50.000 Tonnen. Die Weltjahresproduktion an Cadmium beträgt etwa 25.000 Tonnen. Wichtige Arsensulfide sind Auripigment, Realgar, Kobaltglanz und Arsenkies, das als Arsenopyrit bekannt ist. Cadmiumhaltige Mineralien sind Greenockit und Otavit. Sie sind meist mit Zinkerzen wie Sphalerit und Galmei vergesellschaftet. Cadmium wird als Nebenprodukt bei der Zinkverhüttung gewonnen.

In der Luft sind Partikel von Arsentrioxid nachweisbar. Ursache dafür sind Vulkanausbrüche, die insgesamt etwa 3.000 Tonnen pro Jahr in die Atmosphäre eintragen. Bakterien setzen weitere 20.000 Tonnen organischer Arsenverbindungen frei. Ein großer Teil an freigesetztem Arsen stammt aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Einen weiteren Anteil an den Arsen-Emissionen liefert der Straßenverkehr. Der weltweite jährliche Ausstoß an giftigem Cadmium in die Atmosphäre beträgt 8.000 Tonnen - davon bis zu 15% aus natürlichen Quellen. Himmelschreiend? Nun ja, das dehnbare Schwermetall Cadmium "schreit" typisch auf, wenn man es verbiegt - ähnlich wie der ungiftige Schreihals Zink.

© Hans-Jörg Müllenmeister