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Methanhydrat: Kandidat einer Apokalypse

von Hans Jörg Müllenmeister24.10.13 22:40:00

Entlang der Kontinentalränder liegen Neptuns Steingärten in 500 bis 1500 Meter Meerestiefe. Sie verbergen einen großartigen energetischen Schatz: Methanhydrat, das „weiße Gold“ der Tiefsee. Eine Klimaerwärmung könnte den vermeidlichen Schatz kaskadenartig freisetzen und ihn wie eine wütende Bestie aus seinem Wasserkäfig befreien. Auch die raffgierige Plünderung des weißen Goldes hätte unübersehbare, apokalyptische Folgen für unseren Planeten. Jäh würde die Büchse der Pandora aufgerissen − zum Schaden der ganzen Menschheit.


Welches „Kipp-Element“ hat das Zeug zur Apokalypse?
Niemand von uns kennt die Naturelemente aus Ort, Zeit und Handlung des Dramas, das uns global bevorsteht − und das ist gut so. Unserer spekulativen Fantasie bleibt es überlassen, welche Naturkatastrophe uns am ehesten in Einzelatome auflöst. Sind es ungeheure Vulkanausbrüche, höllenheiße Methangas-Explosionen oder monströse Sandstürme? Im Nahbereich spricht einiges dafür, dass Methanhydrat am ehesten unserem Erdball ein lädiertes Gesicht verpasst. Wollen wir uns diese Gefahren etwas verdeutlichen.

So entsteht Methanhydrat im Ozean
Erstaunlich, in 700 Metern Tiefe ernährt sich der vielborstige Eiswurm Hesiocaeca methanicola vom Methanmilieu. Wie entsteht aber jene merkwürdige Substanz, die als Energiequelle der Zukunft gehandelt wird? Absterbendes Plankton und Algen sinken zum Meeresgrund und verwesen ohne Zutun von Sauerstoff, also anerob. Zum Teil bildet sich aber auch durch thermokatalytische Umwandlung Methanhydrat in tieferen Sedimenten. Normalerweise perlt das Abbauprodukt Methan zur Meeresoberfläche. Aber durch den hohen Druck des sauerstoffarmen Tiefseewassers und die geringe Temperatur verbindet sich Methan mit Wasser zu eisförmigem Methanhydrat, dem Methaneis. Im Submikroskopischen bauen eine Anzahl Wassermoleküle einen Käfig um sich auf, der jeweils ein Methanmolekül gefangen setzt.

Wenn Kontinentalhänge ins Meer rutschen
In Jahrmillionen wuchsen mächtige Eispanzer. Diese verhindern im Atlantik und Pazifik das Abrutschen der Kontinentalhänge. In den Lücken der abgelagerten Sediment-Fragmente wirken die Methanhydrate wie eine Zementierung. Im Schwarzen Meer konnte man sogar eine Eispanzerdicke von bis zu 15 Kilometer nachweisen. Problematisch wird es, wenn sich die Ozeane erwärmen und der Meeresspiegel absinkt, also der Druck auf die Methanschicht nachlässt. Dann geraten die Kontinentalhänge aus ihrer „Fassung“ und es tritt verstärkt Methanhydrat aus. Die Erdgeschichte lieferte dafür erschreckende Szenarien. Damals begann das Weltuntergangsszenario mit einem Paukenschlag aus dem All: der Einschlag eines riesigen Meteoriten. Der Brocken löste Schockwellen aus, die um den Globus tobten; sie brachten gewaltige Mengen Methanhydrat zur Vergasung. Blitze entzündeten das in die Atmosphäre ausströmte Gas und setzten alles in ein flammendes Inferno.

Zu einem „kleineren“ Untersee-Erdrutsch durch Methanhydrat, dem Storegga-Rutsch kam es vor rund 7.000 Jahren: Mehr als 5.600 Kubikkilometer Sediment sackten an der Kante eines submarinen Plateaus vor Norwegen ab. Das war der Auslöser für eine über 25 Meter hohe Tsunamiwelle mit bleibender Verwüstung in den norwegischen Fjorden.

Was passiert, wenn sich Gas im Wasser rasch bewegt?
Eine auftauchende Gassäule, lädt sich an ihrer Wasser-Gas-Grenzschicht elektrisch auf: ein Überschuss an Elektronen entsteht. Bewegen sich diese, fließt ein Strom. Der Strom „zündelt“ an der Methanblase, er entzündet sie. Zudem erzeugt ein fließender Strom ein Magnetfeld, dass Kompassnadeln verrücktspielen lässt. Gerät ein Schiff in diese Gasblase, verliert es schlagartig seinen Auftrieb. Es wird regelrecht in einen Trichter gezogen und versinkt. Flugzeuge verlieren ebenso an Auftrieb und stürzen ab, weil die Motoren in den Methanwolken Feuer fangen. Das Mysterium im Bermuda-Dreieck könnte in der Tat mit Methanhydrat zusammenhängen. Hier verschwanden bekanntlich immer wieder Schiffe und Flugzeuge auf mysteriöse Weise.

Ungeheure Energieträger im Eispanzer
Methanhydrate schlummern nicht nur an Kontinentalhängen im Meer, sondern auch im Permafrostboden der Tundra. Nach Schätzungen übertrifft die in diesen Hydraten gespeicherte Menge an Methan andere Kohlenstoffreservoire der Erde um ein Vielfaches. Das sind Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Kohle. Man schätzt, dass weltweit bis 10 Teratonnen, also 10 hoch 12 Tonnen Kohlenstoff in Methanhydraten gebunden sind. Dies übersteigt die Kohlenstoffmenge aller bekannten Vorkommen fossiler Brennstoffe bei weitem: ein gigantisches Potential für die zukünftige Energieversorgung.

Spiel mit dem Feuereis
Wir selbst können Auslöser oder Wegbereiter unseres Untergangs sein, denn das Ausbeuten des weißen Goldes ist problematisch. Ohne den lastenden hydrostatischen Druck in der Tiefsee und den niedrigen Temperaturen zerfällt das Hydrat in kurzer Zeit in seine Bestandteile Methan und Wasser. Bei der Bergung könnten riesige Mengen des klimaschädlichen Methans in die Atmosphäre strömen und zu einem Treibhauseffekt der Atmosphäre führen: Als atmosphärischer Wärmespeicher ist Methan etwa 20-fach wirksamer als Kohlendioxid. Das könnte den Wärmehaushalt der Weltmeere so verändern, dass auch das restliche Methaneis am Meeresboden instabil wird. Weiteres Methan würde in die Atmosphäre strömen − es käme zu einem Kaskadeneffekt.

Wenn alles aus dem Gleichgewicht gerät
Die lauernde Gefahr: Destabilisierte Methanhydratfelder können zu plötzlichen Ausbrüchen mit massiver Methanfreisetzung führen. Enorme unterseeische Erdrutsche und damit Flutwellen würden ausgelöst. Und was geschieht, wenn sich durch die Erwärmung der oberen Wasserschichten z.B. der warme Golfstrom verlagert und dabei Methanhydratfelder streift? Auch hat man bisher keine Erdbeben als Auslöser von verstärkten Methan-Emissionen in den Klimamodellen berücksichtigt.

Methanhydratkristalle sind nur stabil und fest, solange Druck und Temperatur einigermaßen konstant bleiben. Möchte man eine Hydratschicht erschließend aufbrechen, so kann diese plötzliche sublimieren, also vom festen in den gasförmigen Zustand übergehen. Große Teile der festen Gashydratschicht würden plötzlich zu gasförmigem Methan. Gesteinsformationen unter Wasser brächen zusammen und verursachten gefährliche Flutwellen. Da gibt es noch ein Problem: Methangas ist ein 25-mal größeres Treibhausgas als Kohlenstoffdioxid. Die Forscher lenken aber ihren besorgten Blick auf das Versauern der Ozeane selbst. Bisher betrachtete man nur den Kohlendioxidanteil, den das Meer aus der Atmosphäre aufnimmt. Dadurch sinkt der pH-Wert des Wassers. Vor allem das kalte Wasser in nördlichen Breiten, das besonders viel CO2 aufnimmt, wird dadurch schnell korrosiv. Die Folge: Die Kalkbehausung von Korallen und Schalentieren würde sich auflösen.

Selbst Staub kann Erschreckendes bewirken
Die Bodélé-Senke in Tschad birgt die größte Staubquelle unseres Planeten. Von dieser Wüstenfläche in der südlichen Sahara werden in riesigen Wolken bis zu 700.000 Tonnen Staub in Richtung Atlantik und Amazonasbecken getrieben. Diese aufgewirbelten mineralischen Luftschwebstoffe können Kontinent-übergreifende klimatische und biophysische Rückkopplungsmechanismen extrem beeinflussen.

Auf geologischer Warteliste
Der Super-Vulkan im Yellowstone-Nationalpark ist ein „noch“ schlafender Kandidat der Apokalypse. Unvorstellbar ist seine Magmakammer in rund acht Kilometer Tiefe; sie ist rund 60 km lang, 35 km breit und etwa 9 km mächtig. In den vergangenen 2,1 Millionen Jahren detonierte der Yellowstone dreimal. Das letzte dieser Ereignisse liegt über 600.000 Jahre zurück. Im Vergleich zum Ausbruch des Mount St. Helens erreichten die Eruptionen die 1.000-fache Stärke. Im Mittel bricht der Vulkan alle 600.000 Jahre aus. Sein letzter Ausbruch war vor 640.000 Jahren. Ein neuerlicher Ausbruch wäre denkbar. Geologische Veränderungen, etwa das Anheben der Caldera-Struktur in den letzten Jahrzehnten, lassen zumindest einen Ausbruch in geologisch naher Zukunft wahrscheinlich erscheinen. Gut, momentan scharrt der Vulkanriese noch mit feurigen Hufen. Käme es innerhalb unserer Lebensspanne zum Ausbruch, wären die Folgen eine globale Klimaveränderung, ähnlich die einem nuklearen Winter sowie sintflutartiger Säureregen rund um den Erdball, so belegt es die Erdgeschichte eindrucksvoll. Da lassen die Dinosaurier aus ihren Grüften versteinert grüßen.

© Hans-Jörg Müllenmeister