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US-Notenbank vor Rolle rückwärts – Goldpreis vor Neubewertung

von Andreas Speer E-Mail 04.05.10 20:49:11

Der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts im Winterhalbjahr 2009/2010 war in den USA überraschend hoch ausgefallen. So legte die Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten dieses Jahres mit einer Jahresrate von real 3,2% gegenüber dem Vorquartal zu, nach +5,6% im 4. Quartal 2009 und die konjunkturelle Dynamik scheint bislang kaum nachzulassen. Dennoch zeigte die US-Notenbank bis zuletzt sowohl in offiziellen Reden als auch auf der jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses am 28. April kaum Optimismus im Hinblick auf die konjunkturellen Perspektiven. Dagegen wird die niedrige Teuerung problematisiert. Aufgrund dessen und weil die Kreditvergabe der Banken unverändert sinkt, wird die Fed die Leitzinsen nicht etwa anheben, wie dies am Markt erwartet wird, sondern spätestens im Sommer eine Beibehaltung oder sogar Ausweitung der expansiven Geldpolitik vollziehen, um Inflationserwartungen zu schüren und damit Inflation selbst zu erzeugen. Dies wird dem Goldpreis einen kräftigen Schub verleihen.

Es ist erklärtes Ziel der Notenbanken, insbesondere der Fed und der Bank of England, über eine positive Finanzmarktentwicklung Vermögenseffekte auszulösen, die der Konjunktur auf die Sprünge helfen sollen. Diese Vermögenseffekte sollen den (hochverschuldeten) Konsumenten wieder Spielraum verschaffen. Die USA haben wirtschaftspolitisch gesehen somit nur eine Denkrichtung und zwar den privaten Konsum zu stimulieren. Ähnlich wie Deutschland immer eindimensional denkt, man könne nur vom und über den Export leben. In dem Federal Reserve Bulletin vom Januar 1999 wurde das sogenannte FRB/US-Modell vorgestellt, dessen Ergebnisse nachfolgend besprochen werden.

So führt eine dauerhafte Leitzinssenkung um 100 Basispunkte zu einem Rückgang der lang laufenden Rendite um 30 Basispunkte, zu einem Anstieg des Aktienmarktes um 8,8% und zu einer Abwertung des US-Dollars um 2,2%. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird dadurch um 0,6% erhöht, die Arbeitslosenquote sinkt um 0,2 Prozentpunkte und die Verbraucherpreise steigen um 0,2%. Die Effekte sind nach zwei Jahren sogar noch höher, weil die Wirtschaftsakteure zunächst davon ausgehen, dass die Leitzinssenkung nicht dauerhaft ist. Im Fokus der Geldpolitik stehen dabei natürlich die zinsreagiblen Wirtschaftsbereiche wie Wohnungsbau oder die privaten Käufe dauerhafter Konsumgüter. Interessant ist auch der zweite Teil. So wird im ersten Jahr über 50% des wirtschaftspolitischen Impulses über die antizipative, nicht-finanzielle Wirkung ausgelöst. Das heißt, die Wirtschaftsakteure nehmen die expansive Wirkung der gesunkenen Kreditkosten, des Vermögenseffektes und der Währungsabwertung vorweg bzw. reagieren bereits frühzeitig mit entsprechenden Käufen oder Investitionen auf die erwartete wirtschaftliche Entwicklung. Das ist sozusagen die psychologische Komponente der Geldpolitik. Der Generierung von positiven Erwartungen durch die US-Notenbank kommt daher eine wichtige Rolle zu.

Wie funktionierte dieses Fed-Modell in der aktuellen Krise? Bislang sehr gut. Schauen wir deshalb auf die Entwicklung wichtiger Variablen seit der letzten Leitzinssenkung der Fed am 16. Dezember 2008 an. Zwar stieg die Rendite 10jähriger Staatsanleihen entgegen dem Modell um 140 Basispunkte an. Allerdings war diese auch aufgrund der Finanzkrise Mitte Dezember 2008 mit gut 2,2% p.a. extrem niedrig. Aktuell liegt die Rendite mit 3,65% in etwa dort, wo sie sich vor der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers befand. Die Aktienmärkte (+30%) und der US-Dollar (-4,5%) entwickelten sich dagegen so, wie man es aufgrund des Fed-Modells erwarten konnte. Gepaart mit der expansiven Fiskalpolitik stieg deshalb das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,9% und die Verbraucherpreise stiegen - bedingt durch die Hausse bei den Energierohstoffen - um 3%. Lediglich die Arbeitslosenquote reagierte mit einem kräftigen Anstieg um 2,4 Prozentpunkte unerfreulich.

Dieses Ergebnis heißt aber im Umkehrschluss, dass sich die Fed in ihrem eindimensionalen Denken bestätigt fühlt, da sie mit der Kreierung von billigem Geld die gewünschten Resultate (wenn auch nur zum Teil) erzielt hat. US-Notenbankchef Ben Bernanke hat jüngst in einer Rede vor dem Kongress am 14. April trotz der aufwärtsgerichteten Wirtschaftsaktivität einen sehr verhaltenen Ausblick gegeben. Damit nahm er die Anregungen seines sehr angesehenen Vizes, Donald Kohn, vom 8. April auf. Das heißt, dass die Fed nicht im Entferntesten daran denkt, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Am 8. April führte Ben Bernanke zudem aus, dass ein gesundes Finanzsystem und eine prosperierende Wirtschaftsentwicklung untrennbar miteinander verbunden sind. Das sei eine der Lehren der großen Depression 1929 bis 1933. Darüber hinaus lehre die damalige Krise, dass die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen auf eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität kraftvoll, kreativ und entschlossen reagieren müssen.

Ob Ben Bernanke, der ja als ausgezeichneter Kenner der damaligen Depression gilt, tatsächlich die richtigen Lehren daraus gezogen hat, kann jedoch bezweifelt werden. Wie sonst kann man erklären, dass er erst sehr spät die aktuelle Finanzkrise erkannt hat, die ja gewisse Parallelen zur Great Depression aufweist. Jedoch lassen seine Aussagen vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Erholung nur einen Schluss zu: Die US-Notenbank, und hier insbesondere Ben Bernanke hat derzeit vor allem Angst vor einer Deflation am Gütermarkt. Die Entwicklung der Assetpreise beachtet die Fed ja nach wie vor nicht als Inflationsindikator. So stiegen die Verbraucherpreise ohne Nahrungsmittel und Energie im März lediglich um 1,1% gegenüber dem Vorjahr an. Das war die geringste Zunahme seit Januar 2004 zur Zeit der letzten Deflationsdebatte. Auf Sicht der letzten 3 Monate ergab sich annualisiert sogar ein Rückgang von 0,2%. Das gab es seit Erhebung der Datenreihe 1957 überhaupt noch nie. Eine Wende zeichnet sich nicht ab und bereits im Sommer droht schon aufgrund von Basiseffekten der Fall Richtung 0,5% gegenüber dem Vorjahr. Dafür sprechen die hohe Arbeitslosenquote und vor allem die fallenden Mieten aufgrund der Leerstände am Wohnungsmarkt. Auch von den monetären Komponenten wie der Kreditvergabe der Banken, die seit Monaten rückläufig ist, geht ein dämpfender Effekt auf die Realwirtschaft und damit auf die Güterpreise aus. Dies gilt trotz der enormen Ausweitung der monetären Basis durch die Fed. Das heißt, das zusätzliche Geld kommt nicht in der Realwirtschaft an. Die Banken investieren das Geld lieber am Finanzmarkt und machen dort stattliche Gewinne.

Man kann nun viel darüber spekulieren, ob die Ängste der Fed berechtigt sind oder nicht. Tatsache aber ist, dass man sich dem Gedankengut innerhalb der US-Notenbank stellen muss. Vor diesem Hintergrund wird der Versuch der Inflationierung der US-Wirtschaft über eine anhaltend hohe oder sogar über eine Ausweitung des bisher bereit gestellten Geldmantels anhalten. Denn die Fed sieht, dass die Teuerungsrate extrem niedrig ist und sie wissen nicht genau, wie sich diese künftig entwickeln wird. Auch aufgrund der fallenden Lohnstückkosten wägen sie daher die Chancen und Risiken einer weiterhin expansiven Geldpolitik ab. Einen Fall der Teuerung unter die Nullprozentmarke und damit quasi der Verlust der Handlungsfähigkeit wie bei der Bank of Japan werden sie auf keinen Fall riskieren wollen. Da die Leitzinsen lediglich auf Null gesenkt werden können, würde eine fallende Inflationsrate den Realzins nach oben treiben, mit entsprechend negativen Konsequenzen für die Realwirtschaft. Man sollte sich daher darauf einstellen, dass die Fed im Sommer wieder ernsthaft über eine Ausweitung des „Quantitative Easing“ nachdenken wird, um Inflationserwartungen zu schüren. Dies steht vollkommen im Gegensatz zur allgemeinen Markterwartung und wird daher umso kräftiger und nachhaltiger auf die Assetpreise wirken. Eine überraschende Hinwendung der Währungshüter zu einer erneuten spürbaren Ausweitung der monetären Basis, wird das Vertrauen in die Papierwährung ernsthaft untergraben. Der Goldpreis steht daher auf Sicht von einigen Monaten vor einer generellen Neubewertung.

Den vollständigen Text einschließlich aller Graphiken und Tabellen finden Sie unter http://www.pdfverzeichniss.uhu-und-specht.de/Mai10.pdf

© Andreas Speer
Senior Economist und Commodity Analyst

www.uhu-und-specht.de
E-Mail: uhu-und-specht@gmx.de

2 Kommentare

Kommentar from: Schörner [Besucher]
*****
Danke für diesen richtungweisenden Artikel! Abgespeichert und aufgehoben.
04.05.10 @ 23:29
Kommentar from: Of [Besucher]
*****
Ja, dem möchte ich mich anschliessen: hervorragend begründetes Szenario.
05.05.10 @ 20:22

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