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Alfons Cortés: Gold im Bärenmarkt

von Daniel Haase07.06.13 09:43:37

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Daniel Haase im Gespräch mit dem international renommierten Behavioral- und Neuro-Finance Experten Alfons Cortés - Auszug aus dem Trendfolger Nr. 8/2013

„Aktien im Bullen- und Gold im Bärenmarkt“

„Die Kurshistorie ist nicht deshalb wichtig, weil sich die Vergangenheit wiederholt, sondern weil die Marktteilnehmer davon betroffen sind.“ Dieser Satz bringt die Sinnhaftigkeit der technischen Analyse auf den Punkt. Er stammt vom international renommierten Schweizer Vermögensverwalter und technischen Analysten Alfons Cortés. Mit ihm sprach ich über aktuelle Trends bei Aktien und Edelmetallen.

Haase: Herr Cortés, wie gehen Sie in Ihrer technischen Analyse vor?
Cortés: Die entscheidende Erkenntnis für mich ist: Wir wissen nichts oder zumindest fast nichts. Wir kennen nicht einmal alle Fragen, die wir stellen müssten, um wirklich informierte Entscheide treffen zu können. Wir können jedoch wissen, wie komplexe soziale Systeme funktionieren. Etwas einfach ausgedrückt, indem man immer über die Schulter blickt und versucht herauszufinden, was andere machen und wann und wo Massenbewegungen entstehen, wachsen, stagnieren und verfallen. Das ist im Grunde alles, was wir machen können. Doch es reicht aus, um an der Börse sehr gute Erfolge zu erzielen.

Haase: Sie unterteilen einen vollständigen Hausse-Baisse-Zyklus in fünf Marktphasen. In welcher Phase befindet sich der Aktienmarkt derzeit?
Cortés: Ganz klar in Phase A. Wir haben einen globalen Bullmarket. Die Masse der Anleger, welche sich für Aktienanlagen entscheidet, wächst.

Haase: Welche Bedeutung spielen fundamentale Fakten in Ihren Untersuchungen?
Cortés: Überhaupt keine. Schauen sie: Wir haben das Ende von Bullenmärkten gesehen, ohne das je zweimal das gleiche Verhältnis zwischen Preis und Wert zustanden gekommen wäre, als die Märkte drehten. Für Bärenmärkte gilt dies ebenso.

Haase: In Ihren Kolumnen äußern Sie immer wieder die Überzeugung, dass weder exakte Zeit- noch Kursprognosen möglich seien, wohl aber Musterprognosen. Bezogen auf die von Ihnen adressierte Hausse heißt das also, Anleger sollten so lange auf steigende Kurse setzen, bis sich strukturelle Änderungen bemerkbar machen?
Cortés: Ja genau. Sehen Sie: Wenn eine Masse erst einmal in Bewegung geraten ist, in diesem Fall nach oben, dann kann mit einer enorm hohen Sicherheit gesagt werden, wie sie auf widrige Nachrichten reagieren wird, nämlich gar nicht oder schlimmstenfalls nur für sehr kurze Zeit. Das haben wir immer wieder gesehen. Wo sind denn all die positiven Nachrichten, welche die jüngsten Avancen beispielsweise des DAX hätten erklären können? Ich habe gehört, die deutsche Konjunktur kühle sich ab. Nun werden Konjunkturprognosen ja andauernd revidiert und möglicherweise heißt es dann drei Wochen vor Jahresschluss, es werde doch besser als erwartet. Nur für die Ausrichtung eines Wertpapierportfolios ist es da zu spät. Dann schaue ich mir die politische Landschaft an. Sie heterogenisiert sich weltweit. Plötzlich gibt es eine Piratenpartei und eine Alternative für Deutschland. Nach der nächsten Bundestagswahl könnte es in Berlin - ebenso wie in manch anderen, europäischen Haupstädten – recht schwer werden, eine stabile Regierung zu bilden. Und was machen die Märkte? Sie steigen trotz alledem.

Haase: Die weit verbreitete Meinung lautet, Ursache sei das billige Zentralbankgeld.
Cortés: Diese oberflächliche Erklärung ist nicht angebracht. Die Politik der Zentralbanken hat auf Umwegen einen Einfluss, mehr nicht. Alle Statistiken zeigen, dass das Geld der Zentralbanken auch Zentralbankgeld bleibt. Das Geld der Zentralbanken fließt nicht in die Kreditwirtschaft. Wenn Zentralbanken die Kurse treiben würden, dann müssten Kredite in die Finanzierung von Portfolios gehen, doch genau das unterbleibt. Die Portfolios werden mit Eigenmitteln finanziert.

Haase: Was halten Sie von der Theorie bzw. Prognose der großen Rotation, dass Anleger ihr Geld aus dem Rentenmarkt abziehen und stattdessen in Aktien investieren?
Cortés: So groß war der Wegzug aus Obligationen bisher eigentlich nicht. Noch immer werden Staatsanleihen in großem Stil von Banken gezeichnet. Man schimpft zwar auf sie, als wenn es die schlimmsten Gauner auf dieser Welt wären, nur stecken die Banken mit den Regierungen ja unter der gleichen Decke. Noch immer können sie ohne Eigenmittel dafür zu hinterlegen, Staatsanleihen kaufen – mit der Begründung, diese seien sicher. Dabei hat es nie etwas Unsicheres als Staatsanleihen gegeben. Zumindest wenn berücksichtigt wird, dass das Entscheidende nicht nur die Rückzahlung der Nominalen in zwanzig oder dreißig Jahren sondern der Erhalt der Kaufkraft ist.

Haase: Wenn der eigentliche Treiber der laufenden Hausse nicht Zentralbanken sind, sondern umschichtende Investoren und gleichzeitig diese Umschichtungen aus Liquidität und Rentenmarkt noch keine allzu großen Volumina betreffen, dann müssten die Aktienkurse doch eigentlich noch viel weiter steigen können und das Gerede über eine Blase ist derzeit vollkommen unangebracht?

Cortés: Ja. Wir haben am Aktienmarkt derzeit überhaupt keine Blase.

Haase: Davon einmal abgesehen: Sie würden selbst in Blasen hinein noch kaufen, solange die Trends halten?
Cortés: Selbstverständlich, weil wir ja nicht wissen können, wann eine Blase platzt. Ich verkaufe immer erst, wenn die Blase geplatzt ist. Wobei die technische Analyse natürlich frühzeitig Warnsignale generiert. Ein ganz Wesentliches ist beispielsweise die Heterogenisierung des Marktes – andere bezeichnen dies als Divergenzen. Wenn eine zunehmende Anzahl von Sektoren aufhört, zu steigen, dann wird es kritisch.

Haase: Sie haben mehrfach und frühzeitig - lange vor dem April-Crash - vor Engagements in Edelmetallen und Minenaktien gewarnt. Was waren die Grundlagen für Ihre damalige Einschätzung?
Cortés: Seit September 2011 hat Gold eine relative Schwäche zu allen gängigen Aktienindizes entwickelt und zwar ohne Unterbruch. Das genügt mir als Analyse. Wenn ich jede Menge andere Indizes über ETFs oder Futures kaufen kann, die sich allesamt besser entwickeln als Gold, da verschwende ich doch nicht meine Zeit mit Analysen zu Gold. Wir müssen doch unsere begrenzte Lebenszeit ökonomisieren.

Abbildung.: Strukturen eines Zyklus: Ein vollständiger Hausse-Baisse-Haussezyklus wird von Alfons Cortès in fünf Struktur-Phasen eingeteilt. Die Identifikation der jeweiligen Struktur erleichtert seines Erachtens zwei Entscheide: Die Allokationshöhe in einzelnen Regionen, Sektoren und Aktien, sowie die Wahl der Contrarian- oder Trendfolge-Regeln.


Haase: Die typischen Argumente pro Gold überzeugen Sie nicht?

Cortés: Das Wissen der Goldbugs kann durchaus ein wertvolles Wissen sein, aber es nützt nichts bei der Interpretation von Chancen und Risiken der Goldpreisentwicklung. Meiner Meinung nach ist zu sehr darauf abgestellt worden, dass Gold eine Währung sei und dass die in Umlauf befindlichen, großen Währungen kollabieren könnten. Hingegen ist zu wenig verstanden worden, was sich im monetären Bereich institutionell verändert hat.

Haase: Beschreiben Sie bitte, was Sie genau meinen.
Cortés: Die wichtigste Veränderung liegt wohl darin, dass je nach Land zwischen 40 und 70 Prozent aller Finanzvermögen in den Händen institutioneller Anleger liegen, also Pensionskassen, Lebensversicherungen, Versicherungen überhaupt usw. Im Gegensatz zu Privaten können die Institutionellen nicht einfach hingehen, ihre Bankguthaben in Goldbarren tauschen und diese im heimischen Garten vergraben.

Haase: Aber sie können in Gold-ETFs investieren und haben das ja auch getan.
Cortés: Ja natürlich. Aber die ETFs sind ja auch ein Teil vom Finanzsystem.

Haase: Das Risiko eines Währungszusammenbruchs beim Dollar, Euro oder beispielsweise Yen sehen sie nicht?
Cortés: Es gibt das Risiko von Auf- und Abwertungen und auch das Risiko von Bankruns. Doch laufen letztere heute auf eine ganz andere Weise ab als früher. Ein Banksturm vollzieht sich heute z.B. durch den Transfer von Vermögenswerten in großen Mengen von spanischen zu deutschen Banken oder von Bank- in Staatsanleihen. Da gibt es enormen Stress im Finanzsystem, aber es kollabiert nicht. Das ist ein modernes Finanzsystem.

Haase: Also ein Vermögenstransfer von Süd- nach Nordeuropa verursacht also keinen Finanzkollaps, weil auf der Gegenseite die EZB steht und quasi automatisch via Target2 einspringt?
Cortés: So ist es. Und dann haben wir Gold. Angenommen, das System würde kollabieren, dann dürfen Sie ja nicht einmal mehr als 10.000 Euro in der Tasche haben. Was wollen Sie denn mit Gold tun? Da müssten Sie schon ein Schwarzmarkt-Charakter sein, um mit Gold besondere Vorteile herausschlagen zu können. Ich habe ja nichts dagegen, wenn jemand Goldmünzen haben möchte, insbesondere wenn der Goldpreis steigt, aber nicht um zu überleben in einem Supergau.

Haase: Wenn es wirklich wieder erwarten doch zum Kollaps käme, wäre vermutlich ein Gewehr hilfreicher als Gold?
Cortés: Völlig richtig. Denken Sie nur an die Warenbewegungen heutzutage. Wir bekommen ja viel Gemüse und Obst von weit her und dafür muss das Zahlungssystem funktionieren. Was nützt es, Gold zu haben, wenn das Währungssystem kollabieren würde und wir nicht einmal Lebensmittel hätten? Um das vielleicht nochmals zu präzisieren: Ich behaupte keineswegs, dass wir gar keine Inflation haben, doch die drei wichtigsten Voraussetzungen für eine Hyperinflation mit anschließendem Währungskollaps sind derzeit einfach nicht gegeben. Weder steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, noch wächst die Geldmenge M2 deutlich schneller als das Bruttoinlandsprodukt und auch die Auslastungsquote der Produktionskapazitäten liegt klar unter 85% - außer im Luxusbereich. Die Luxusgüterpreise steigen denn auch tatsächlich stark – aber eben nur die.

Haase: Herr Cortés, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Das gesamte Interview mit Aussagen zu verschiedenen Sektoren wie auch dem Entwicklungen am japanischen Aktienmarkt ist im jüngsten Trendfolger (kostenfreies Abo unter www.folgedemtrend.de) veröffentlicht.

In vielen Punkten stimme ich mit den Aussagen von Alfons Cortés überein, so z.B. darüber, dass sich die Aktienmärkte weltweit im Hausse-Modus befinden und daher auf schlechte Nachrichten überhaupt nicht oder nur temporär reagieren (Korrekturen im Aufwärtstrend), woraus sich Nachkaufgelegenheiten ergeben. In Bezug auf die Entwicklung des Goldpreises werde ich meine abweichende, positivere Meinung in der kommenden Trendfolger-Ausgabe darlegen (geplant zum 7. Juni).

(Quelle: www.folgedemtrend.de)

Über den Autor Daniel Haase:
- Herausgeber der Trendfolger- und Pfadfinder-Briefe
- regelmäßiger Interviewpartner im Deutschen Anleger Fernsehen DAF
- Leiter der VTAD Regionalgruppe Hamburg
- Anlagestratege eines Trendfolge-Fonds

Disclaimer: Kein Angebot; keine Beratung
Diese Information dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Diese Ausarbeitung allein ersetzt keine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung.