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Denn sie wissen nicht, was sie tun ...

von Markus Bechtel E-Mail 05.08.14 15:28:59

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Unter alternativen Geldkritikern hört man regelmäßig, man müsse nur ein zinsloses Geldsystem einführen. Dann würden sich alle Probleme dieser Welt in Luft auflösen. Dieser Artikel möchte Ihnen daher noch einmal aufzeigen, weshalb es ein solches zinsloses Geldsystem nicht geben kann und diese Vorstellungen dieser alternativen Geldkritiker daher eine irreführende Wahnvorstellung ist.

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Als ich den Titel der Klagemauer.TV-Sendung „Zinseszins ist Konstruktionsfehler im Geldsystem“ vom 4. August 2014 sah, war ich noch positiv überrascht. Sollte mein Artikel über „Die Illusionen alternativer „Geld“-Systeme“ doch gefruchtet haben?

Was ich mir dann jedoch ansehen mußte, das verschlug mir doch fast die Sprache. Da erging sich KlagemauerTV doch tatsächlich in einer Lobeshymne auf die Sparkasse Bad Aibling, die anscheinend ihre Geld- und Kreditgeschäfte auch mit den angeblich ach so zinslosen Chiemgauer abwickeln will.

Dabei müßte es Frl. Loisa Sasek, die Produktionsleiterin von Klagemauer.TV, doch eigentlich besser wissen. Schließlich hat sie ihre kaufmännische Ausbildung im Rechnungswesen mit der Note 1 (in der Schweiz die Note 6) abgeschlossen.

Grundbegriffe

Wenn man sich dem Geldproblem nähert, dann muß man sich erst einmal mit den grundlegenden Begriffen des Bürgerlichen Rechts auseinandersetzen. Denn alle wirtschaftlichen Vorgänge haben ihre rechtliche Grundlage im Bürgerlichen Recht.

Verträge

Wenn sich Bürger untereinander vertragen, dann schließen sie miteinander Verträge. In einer freiheitlichen bürgerlichen Republik bedarf es dazu nicht des Staates, einer Staatsbank oder gar einer staatlichen oder privatisierten Zentralbank. Im mittelalterlichen Feudalismus oder in sozialistischen Regimen war das anders. Dort regelten Patrone bzw. Kommissare die Rechtsbeziehungen durch hoheitliche Anordnung. Diese freiheitliche bürgerliche Rechts- und Wirtschaftsordnung stellt daher die große Errungenschaft der Neuzeit dar. Überall wo sie mit Füßen getreten wurde, hatte dies verheerende Folgen.

Schuldverhältnisse, Forderungen, V E R B I N D L I C H K E I T E N

Ein Vertrag stellt ein Schuldverhältnis dar. Der Vertrag berechtigt den Gläubiger, von dem Schuldner eine bestimmte Leistung zu fordern. Deshalb spricht man auch von Forderungen. Was für den Gläubiger eine Forderung ist, das stellt sich für den Schuldner als V E R B I N D L I C H K E I T dar. Der Schuldner hat dem Gläubiger V E R B I N D L I C H versprochen, die vertraglich vereinbarte Leistung zu erbringen.

Die meisten Verträge sind gegenseitige Verträge. Bei gegenseitigen Verträgen stehen mehrere Forderungen bzw. V E R B I N D L I C H K E I T E N in einem Gegenseitigkeitverhältnis. Dabei sind beide Parteien Gläubiger und Schuldner zugleich.

Beispiel Kaufvertrag

In einem Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer als Schuldner V E R B I N D L I C H zur Lieferung und Übereignung der Kaufsache an den Käufer. Der Käufer kann also als Gläubiger von dem Verkäufer die Lieferung und Übereignung der Kaufsache fordern.

Umgekehrt verpflichtet sich der Käufer als Schuldner verbindlich zur Bezahlung des Kaufpreises. Der Verkäufer kann also als Gläubiger von dem Käufer als Schuldner die Bezahlung des Kaufpreises in Geldforderungen gegen die Zentralbank fordern.

Wenn der Kaufpreis nicht in einer Geldforderung gegen die Zentralbank, sondern in einer anderen Sache besteht, dann spricht man von einem Tausch. An dem Vertrag hat sich dadurch inhaltlich nichts geändert.

Der Kaufvertrag zeigt daher sehr schön, daß die Leistungen, die sich beide Parteien gegenseitig V E R B I N D L I C H versprochen haben, in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Bei der einen Leistung ist die eine Partei der Gläubiger, bei der anderen Leistung ist er der Schuldner.

Forderungsabtretungen

Nicht selten kommt es vor, daß der Gläubiger seine Forderung loswerden will. Entweder, weil er die Forderung gegen den Schuldner zu Geld machen will. Oder, weil er an der Leistung des Schuldners das Interesse verloren hat. Das bürgerliche Recht bietet dem Gläubiger nun die Möglichkeit, die Forderung gegen den Schuldner abzutreten § 398 ff. BGB.

Beispiel 1:

Wenn der Verkäufer die Kaufsache nicht aus Eigenmitteln hergestellt oder von anderen Herstellern oder Lieferanten erworben hat, dann kann er den Hersteller oder Lieferanten dadurch „bezahlen“, daß er seine Kaufpreisforderung gegen seinen Käufer erfüllungshalber oder an Erfüllungsstatt an den Hersteller oder Lieferanten abtritt. Dem Hersteller bzw. Lieferant wird es einerlei sein, ob er den Kaufpreis direkt von dem Verkäufer oder indirekt von dem Käufer bekommt. Hauptsache er erhält den Kaufpreis, den der Verkäufer ihm verbindlich versprochen hat.

Beispiel 2:

Wenn der Käufer die Kaufsache nicht bezahlen kann, dann könnte er seine Forderung auf Lieferung und Übereignung der Kaufsache verkaufen und mit dem Erlös seine V E R B I N D L I C H K E I T gegenüber dem Verkäufer bedienen. Dem Verkäufer wird es einerlei sein, an wen er die Kaufsache liefert und übereignet. Hauptsache er erhält den Kaufpreis, den der Käufer ihm V E R B I N D L I C H versprochen hat.

Das Prinzip der Forderungsabtretung ist daher für eine freiheitlich bürgerliche Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung derart essentiell, daß sie aus dem heutigen Geld- und Wirtschaftssystem nicht mehr wegzudenken ist.

Bei dem Prinzip der Forderungsabtretungen müssen Sie eines verstanden haben. Sie müssen das Grundverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner strikt unterscheiden von dem Abtretungsverhältnis zwischen dem ursprünglichen Gläubiger (Zedent) und dem neuen Gläubiger (Zessionar). Das Schuldverhältnis zwischen dem ursprünglichen Gläubiger und dem Schuldner ist ein ganz anderes als das Schuldnerverhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar.

Saldierungsverbot, Rechts- und Staatsanwälte, Fiskus

Wenn Sie diese beiden unterschiedlichen Rechtsverhältnisse miteinander saldieren, dann verstoßen Sie nicht nur gegen das eherne Grundgesetz der doppelten Buchführung, dem Saldierungsverbot. Sie werden dann auch von den Rechtsanwälten der beteiligten Parteien sehr unfreundliche Briefe erhalten. Aber nicht nur das. Sie werden dann auch sehr unfreundliche Briefe von Fiskus und Staatsanwaltschaft erhalten.

Der Chiemgauer

Wenn Sie das Prinzip der Forderungsabtretung und des Saldierungsverbotes verstanden haben, dann werden Sie nun auch verstehen, weshalb der angeblich zins- oder gar zinseszinslose Chiemgauer der Sparkasse Bad Aibling nichts anders als Lug und Trug ist.

Der Chiemgauer als Schuldverhältnis

Wenn die Sparkasse Bad Aibling den Chiemgauer selbst in Verkehr bringt, dann macht sie nichts anderes als jeder Bürger, jede Bank und jede Zentralbank auch. Sie bringt Schuldverschreibungen in den Rechtsverkehr. Daran ist prinzipiell nichts verkehrt. Nach dem Bürgerlichen Recht kann jeder so viele Schuldverschreibungen in den Verkehr bringen, wie er möchte.

Der Wert der Chiemgauer

Die Frage ist nur: Was sind diese Chiemgauer-Schuldscheine wert? Der Wert der Chiemgauer bemißt sich danach, was jeder Chiemgauer-Inhaber bei dem Erwerb der Schuldscheine dafür aufwendet. Das ist genau das, was er bei der Einlösung der Schuldscheine bei der Sparkasse Bad Aibling dafür wieder bekommen wird. Nach dem Gesetz der Energieerhaltung in der Physik kann einem energetischen System nicht mehr Energie entnommen werden, als in dem System überhaupt enthalten ist.

Da aber auch die Herstellung und Verwaltung der Chiemgauer-Schuldscheine Kosten verursacht, wird der Chiemgauer denklogisch weniger wert sein müssen, als der Erwerber beim Erwerb der Chiemgauer aufgewendet hat.

Der Chiemgauer-Zins

Die Kosten der Herstellung und Verwaltung wird üblicherweise über Bankgebühren abgedeckt. Diese Bankgebühren müssen aus dem Chiemgauer-System bedient werden. Daher stellen diese Kosten nichts anderes als Zinsen dar. Bereits an dieser Stelle zeigt sich unzweideutig, daß auch das Chiemgauer-Geldsystem kein zinsloses Geldsystem sein kann. Denn die Sparkasse Bad Aibling muß diese Zinsen erheben. Andernfalls ginge sie pleite.

Diese Zinsen betreffen jedoch nur das Rechtsverhältnis zwischen der ausgebenden Sparkasse Bad Aibling und dem jeweiligen Inhaber der Chiemgauer-Schuldscheine. Dies betrifft daher nicht das Verhältnis der Chiemgauer-Zedenten und -Zessionare untereinander.

Das Rechtsverhältnis der Chiemgauer-Zedenten und -Zessionare und damit der Rechtsgrund für die Forderungsabtretung kann ganz unterschiedlich sein. So unterschiedlich wie das Leben eben (vgl. nachfolgend Beispiel 1 und 2).

Mietzins und Darlehenszins

Der Chiemgauer-Zedent könnte z.B. ein privater Kreditgeber sein, der einem anderen privaten Kreditnehmer einen Chiemgauer-Kredit einräumt. In diesem Fall werden ebenfalls definitiv Chiemgauer-Zinsen anfallen:

Beispiel 1:

Der Chiemgauer-Inhaber hat 100.000 Chiemgauer. Er kann damit z.B. eine Wohnung kaufen und vermieten. Durch die Vermietung erhält er jährlich 5.000 Chiemgauer. Dann beträgt der Mietzins 5 % p.a.

Beispiel 2:

Der Chiemgauer-Inhaber kann dem Mieter auch die 100.000 Chiemgauer „vermieten“. Dann könnte sich der Mieter die Wohnung kaufen.

Ginge es nach der Vorstellung von Frl. Loisa Sasek von KlagemauerTV und der meisten alternativen Geldkritiker, dann müßte der Chiemgauer-Inhaber dem Mieter die 100.000 Chiemgauer zinslos „vermieteten“.

Nach meinem Rechtsverständnis müßte der „Mieter“ von 100. 000 Chiemgauern jedoch genauso viel Miete zahlen, wie er als Mieter einer Wohnung im Wert von 100.000 Chiemgauern an Miete zahlen müßte. Nämlich eben die besagten 5 % p.a..

Selbst Jesus Christus hat den Zins an sich nicht verteufelt. Dies kann man in vielen seiner Gleichnisse im Neuen Testament nachlesen. Denken Sie nur an das Gleichnis mit den 3 Knechten, die das ihnen zur Verfügung gestellte Kapital zinsbringend einsetzen sollten. Denken Sie auch an den Strauch, der keine Früchte trug und daher von Jesus verflucht wurde. Denken Sie schließlich an seinen berühmten Satz: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!“ Denn die Früchte sind doch nichts anderes als die Zinsen!

Der Chiemgauer-Zinseszins

Wenn also auch im Chiemgauer-System Chiemgauer-Zinsen entstehen können, dann können auch hier Chiemgauer-Zinseszinsen entstehen. Chiemgauer-Zinseszinsen entstehen immer dann, wenn der Chiemgauer-Schuldner seine Zinsrate nicht zahlt. Wenn der Chiemgauer-Schuldner seine Zinsrate nicht zahlt, dann führt das zu einer - meist ungedeckten - exponentiellen Aufschuldung.

Wer diese exponentielle Aufschuldung nicht will, der muß diese ungedeckte Aufschuldung im Keim unterbinden. Im Interesse des Schuldners, des Gläubigers und der Allgemeinheit. Dies geht nur durch ein allgemeines Zinseszinsverbot (vgl. § 248 Abs. 1 BGB ).

Dies hat dann allerdings zur Folge, daß dem Chiemgauer-Schuldner der Chiemgauer-Kredit spätestens nach 3 Monaten im Verzug gekündigt würde. Und das wäre auch richtig so. Denn als Mieter würde ihm auch gekündigt, wenn er mit seinem Mietzins mehr als 3 Monate in Verzug geraten würde.

Dies alles hätte Frl. Loisa Sasek von KlagemauerTV eigentlich auch selbst erkennen können und erkennen müssen. Sie hätte daher erkennen können und erkennen müssen, daß die Sparkasse Bad Aibling gerade kein barmherziger Samariter ist und der Chiemgauer kein zins- oder gar zinseszinsloses Geldsystem darstellt.

Statt den von Gott gegebenen Verstand auf „Asasel“ (dem Teufel Jahwe, vgl. Joh. 8, 31-44) zu werfen, sollte man in Walzenhausen vielleicht besser den Mut gewinnen, sich nach Immanuel Kant des Verstandes zu bedienen. Und dabei gerade die Konditionierungen ihres Verstandes zu hinterfragen:

1. Es ist ein grundlegender Widerspruch, einerseits (Geld-) V E R B I N D L I C H K E I T einzufordern, andererseits aber Geld(forderungen) abschaffen zu wollen (Zitat: „Die neue Welt(ordnung) ist ohne Geld“). Forderungen und V E R B I N D L I C H K E I T E N sind zwei Seiten derselben Medaille (s.o.) Wer daher Geld(forderungen) abschaffen will, der will auch die (Geld-) V E R B I N D L I C H K E I T abschaffen. Ohne V E R B I N D L I C H K E I T ist in einer Zivilisation ein gedeihliches Miteinander jedoch unmöglich.

2. Geldforderungen bzw. Geldverbindlichkeiten sind auch nicht per se schlecht. Schlecht ist allenfalls die Art und Weise, wie wir mit Geldforderungen und Geldverbindlichkeiten umgehen. Wie wir also als Gläubiger und Schuldner miteinander umgehen.

Angesichts ihrer „intuitiven“ Ignoranz bzw. offenen Rebellion bleiben mir Frl. Loisa Sasek jedoch nur noch diese letzten Worte: Herr, vergib ihr, denn sie weiß nicht, was sie tut!

In diesem Sinne: Sapere aude!

© 2014 Markus Bechtel. Alle Rechte vorbehalten.
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