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Die Illusionen alternativer „Geld“-Systeme

von Markus Bechtel E-Mail 01.08.14 10:17:16

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Der Schweizerischen Eidgenossenschaft zum Bundesfeiertag 2014 gewidmet. Confoederatio Helvetica! Vivat, crescat, floreat!

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Denn es werden falsche Christi und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, daß verführt werden in dem Irrtum (wo es möglich wäre) auch die Auserwählten. (Mt. 24, 24)
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Von den Vertretern alternativer „Geld“-Systeme hört man immer mal wieder die „frohe Botschaft“, sie hätten endlich den „Dritten Weg“ eines zins- und zinseszinslosen „Geld“-Systems gefunden. Schaut man sich diese „Geld“-Systeme jedoch einmal genauer an, dann wird man sehr schnell ernüchtert feststellen, daß es sich hierbei weder um ein sachwertgedecktes Geldsystem, noch um ein zinsloses oder gar um ein zinseszinsloses Geldsystem handelt. Es handelt sich meist nur um ein weiteres ungedecktes geldsozialistisches Währungssystem.
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1. Die Illusion der Werthaltigkeit alternativer „Geld“-Systeme

Wenn man den Wert eines dieser alternativen „Geld“-Systeme ermitteln will, dann muß man sich lediglich die Entstehung dieser „Geld“-einheiten näher anschauen. Wie entstehen also die Bitcoins, Chiemgauer etc.? Die Bitcoins und Chiemgauer werden gedruckt und verkauft. Ein Bitcoins und Chiemgauers ist also so viel (oder wenig) wert, wie Sie dafür abzüglich der Druck- und Verwaltungskosten dafür bezahlen. Wenn 1 Bitcoin oder 1 Chiemgauer 1 Euro kosten soll und die Druck- und Verwaltungskosten 10 Euro-Cent betragen, dann ist 1 Bitcoin bzw. 1. Chiemgauer tatsächlich nur 90 Euro-Cent wert.

Dabei stellt sich nun die spannende Frage, was denn 1 Euro wert ist. Bei den Vertretern alternativer „Geld“-Systeme hat sich inzwischen herumgesprochen, daß es sich bei dem Euro der Europäischen Zentralbank (EZB ) nur um ein teilgedecktes Währungssystem (fractional reserve system) handelt. Bei der EZB ist lediglich eine Deckung von 1% vorhanden. Dies bedeutet, daß die EZB 100 mal mehr Euro ausschütten kann, als sie an entsprechenden Sachwerten (Gold, Silber, Grundpfandrechte etc.) hinterlegt bekommen hat. Tatsächlich ist 1 Euro damit eigentlich nur 1 Cent wert. Denn mehr hat die EZB ja nicht an hinterlegten Sicherheiten in ihren Büchern stehen.

Was bedeutet dies im Umkehrschluß für die Bitcoins bzw. Chiemgauer? Wenn Sie einen Bitcoin oder einen Chiemgauer für einen Euro kaufen, der tatsächlich nur 1 Cent wert ist, was ist dann der Bitcoin bzw. der Chiemgauer wert? Richtig! Der Bitcoin bzw. Chiemgauer ist dann tatsächlich auch nur 1 Euro-Cent wert. Ein Bitcoin- bzw. Chiemgauer-„Geld“-System kann nämlich nicht mehr Energie enthalten, als an Euro-Energie hineingesteckt worden ist. Der Energie-Erhaltungssatz der Physik findet natürlich auch in alternativen „Geld“-Systemen Anwendung.

Dann haben Sie aber mit einem Bitcoin bzw. Chiemgauer ein noch schlechteres Geschäft gemacht als mit dem nahezu ungedeckten Euro. Wenn ein Bitcoin bzw. ein Chiemauer auch nur 1 Euro-Cent wert ist, die Druck- und Verwaltungskosten aber selbst 10 Prozent betragen, dann haben Sie ursprünglich eine Arbeits- oder Sachleistung im Wert von 1 Euro erbracht, tatsächlich aber nur einen Wert von 0,9 Euro-Cent in Bitcoin bzw. Chiemgauer bekommen. Mit einem Bitcoin bzw. Chiemgauer stehen Sie also am Ende noch schlechter da, als Sie mit dem Euro ohnehin schon schlecht da standen.

Bitcoin bzw. Chiemgauer können nur dann eine Alternative zu dem teilgedeckten Euro-System sein, wenn sie nur im Austausch mit realen Sicherheiten (Gold, Silber, Besitz- und Grundpfandrechte und andere Realsicherheiten) des 3. Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB ) ausgegeben würden.

Genau das ist bei diesen alterativen „Geld“-Systemen jedoch regelmäßig nicht der Fall. Deshalb handelt es sich bei Bitcoins, Chiemgauern und anderen alternativen „Geld“-Systemen auch nicht um Geldsysteme im engeren Sinne, sondern nur um teil- oder gar ungedeckte Währungssysteme. Solche teil- oder ungedeckte Währungssystem sind jedoch gewiß keine Lösung unseres Geldsystemproblems.

2. Die Illusion der Zinslosigkeit alternativer „Geld“-Systeme

Die Anhänger alternativer „Geld“-Systeme behaupten weiterhin mit voller Überzeugung, ihr Bitcoin bzw. Chiemgauer-Geldsystem stelle ein zinsloses Geldsystem dar. Doch wie zinslos ist das Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem wirklich?

a. Der Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zins als Vorleistung

In einer arbeitsteiligen Wirtschaft stellen nahezu alle Wirtschaftsleitungen Vorleistungen für eine nachfolgende Wirtschaftsleistung dar. Solange diese Vorleistungen aus Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Eigenkapital erbracht werden können, mag ein Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem auch zinslos funktionieren. In der Regel reicht das Eigenkapital in einer arbeitsteiligen Wirtschaft dazu jedoch nicht aus. Fehlendes Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Eigenkapital kann jedoch nur durch Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Fremdkapital ausgeglichen werden.

b. Der Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zins als Ausfallprämie

Jeder Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Darlehensgeber wird zumindest einen Ausgleich für das Ausfallrisiko des Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Darlehensnehmers verlangen. Er will ja am Ende nicht schlechter dastehen und gar seine Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Forderungen in den Kamin (ab)schreiben wollen.

c. Der Bitcoin- bzw. Chiemgauerzins als Nutzungs- und Verzichtsprämie

Jeder Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Darlehensgeber wird auch weiterhin für die Zeit des Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Darlehens einen angemessenen Nutzungs- bzw. Verzichtsprämie verlangen. Denn es kann ja im Ergebnis keinen Unterschied machen, ob er für seine Bitcoins bzw. Chiemgauer ein Wirtschaftsgut anschafft und an einen Dritten vermietet oder diesem Dritten die Bitcoins bzw. Chiemgauer als Darlehen überläßt und dieser Dritte sich dann das Wirtschaftsgut selbst anschafft. Das Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Darlehen muß daher im Ergebnis immer zum selben Ergebnis gelangen wie die Vermietung des Wirtschaftsguts selbst. Das ist in einem Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem auch nicht anders als in einem herkömmlichen Euro-Geldsystem.

Da dies in einer arbeitsteiligen Wirtschaft der Regelfall darstellt, sind auch Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsysteme früher oder später zinsbelastete Geldsysteme. Niemand wird seine Bitcoins bzw. Chiemgauer zinslos „verleihen“.

Das Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem ist also nur solange zinslos, wie keine Kreditierungen damit durchgeführt werden. Sobald in einem Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem jedoch Kreditierungen vorgenommen werden, dann entstehen in einem Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem genauso Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zinsen wie in einem herkömmlichen Euro-Geldsystem auch. Deshalb kann es ein zinsloses Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem nicht geben.

3. Die Illusion der Zinseszinslosigkeit alternativer „Geld“-Systeme

Die Bitcoin oder Chiemgauer-Anhänger behaupten auch immer fälschlicherweise, ihr Bitcoin bzw. Chiemgauer-Geldsystem stelle ein zinseszinsloses Geldsystem dar. Wenn es in einem Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Geldsystem zu Kreditierungen kommen kann, dann kann es auch zu Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zinseszinsen kommen.

a. Wie entstehen nun Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zinseszinsen? Wie entstehen Zinseszinsen überhaupt?

Zum besseren Verständnis von Zins und Zinseszins müssen wir uns mit den mathematischen Grundlagen der Zins- und Zinseszins-Formeln beschäftigen. Doch keine Angst! Es ist halb so wild!

Die Zinsformel sieht je nach Schreibweise so aus:

K(n) = K(0) · (1 + q · n)
wobei K das Kapital, K(0) das Startkapital, K(n) das Endkapital, q der Zinssatz und n die Zeitperioden sind.

Die Zinseszinsformel sieht je nach Schreibweise so aus:

K(n) = K(0) · (1 + q)ⁿ
wobei K das Kapital, K(0) das Startkapital, K(n) das Endkapital, q der Zinssatz und n die Zeitperioden sind.

Worin unterscheiden sich also Zins und Zinseszinsformel? Bei der Zinsformel wird der Zinsquotient (q) mal n multipliziert. Bei der Zinseszinsformel wird dagegen der Term (1+q) n mal potenziert.

b. Wie kommt es zu diesen beiden unterschiedlichen Zinsformeln?

Der Unterschied zwischen Zins- und Zinseszins wird deutlich, wenn man beide Zinsformeln am Beispiel von 2 Zeitperioden ausführlich aufschreibt:

Bei dem Zins steht dann:

K(2) = K(0) · (1 + q · 2)
K(2) = K(0) · (1 + 2 · q)
K(2) = K(0) + 2 · K(0) · q

Bei dem Zinseszins steht dann:

K(2) = K(0) · (1 + q)²
K(2) = K(0) · (1 + 2 · q + q²)
K(2) = K(0) + 2 · K(0) · q + K(0) · q²

Worin besteht also der Unterschied zwischen Zins und Zinseszins? Der Unterschied zwischen Zins und Zinseszins steckt also in dem letzten Term der geometrischen Reihe (K(0) · q²). Ansonsten sind die anderen Terme (K(0) bzw. 2 · K(0) · q) in beiden Formeln identisch.

c. Wie kam es nun zu diesem letzten Term (K(0) · q²) in der Zinseszinsformel?

Der Grund liegt auf der Hand. Nach der 1. Zeitperiode war die 1. Zinsrate (K(0) · q) fällig. In der Zinsformel ist diese Zinsrate auch am Ende der 1. Zeitperiode geleistet worden. Damit ist dieser Zinsanspruch nach § 362 BGB durch Erfüllung erloschen. Deshalb kann diese Zinsrate in der 2. Zeitperiode keine Rolle mehr spielen.

Anders dagegen in der Zinseszinsformel. In der Zinseszinsformel ist die Zinsrate der 1. Zeitperiode gerade NICHT geleistet worden. Statt diese Zinsforderung durch Erfüllung zum Erlöschen zu bringen, ist diese Zinsrate einfach zu dem Startkapital K(0) aufgeschuldet und daher in der 2. Zeitperiode mitverzinst worden.

d. Wie ist diese Aufschuldung der eigentlich fälligen Zinsraten wirtschaftlich zu interpretieren?

Diese Aufschuldung ist nichts anderes als ein neuer Kredit in Höhe der eigentlich fälligen Zinsrate. Oder anders ausgedrückt: Der Gläubiger streckt dem Schuldner die eigentlich fälligen Zinsen vor. Der Gläubiger gibt dem Schuldner die eigentlich fälligen Zinsen.

e. Worin liegt nun das besondere Problem einer solchen Aufschuldung?

Bei der Darlehensauszahlung hat der Schuldner dem Gläubiger in der Regel Sicherheiten in Höhe des Kredits K(0) zur Sicherheit übereignet. Wenn der Schuldner also insolvent werden würde, dann könnte der Gläubiger seinen Kredit K(0) immer noch durch Versteigerung der Sicherheiten zurückholen.

Bei der Aufschuldung der eigentlich fälligen Zinsraten ist das jedoch regelmäßig nicht der Fall. Wenn der Schuldner die eigentlich fälligen Zinsraten schon nicht zahlt, dann wird er auch für die Aufschuldung der Zinsraten keine Sicherheiten mehr leisten können. Denn wenn er in dieser Höhe Sicherheiten leisten könnte, dann könnte er ja auch die fälligen Zinsraten begleichen. Das besondere Problem der Aufschuldung der eigentlich fälligen Zinsraten liegt also in der völlig ungesicherten Kreditaufnahme des Schuldners. Im Falle des Falles kann sich der Gläubiger seine Zinsraten in den Kamin (ab)schreiben.

f. Wie kann einer solchen ungehemmten Aufschuldung wirksam begegnet werden?

Eine solche ungehemmte Aufschuldung kann nur durch ein allgemeines Zinseszinsverbot wirksam begegnet werden. Unter normalen Bürgern ist der Zinseszins bereits nach § 248 Abs. 1 BGB verboten. Lediglich Banken, Sparkassen und andere Kreditinstitute können sich nach § 248 Abs. 2 BGB einen Zinseszins ausbedingen. Würde diese Ausnahme ersatzlos gestrichen, dann müßten die Schuldner, insbesondere der Staat, die fälligen Zinsraten auch wirklich durch reale Leistungen erbringen. Nur so kann der ungehemmten Aufschuldung wirksam begegnet werden.

Ein anderes Mittel, die ansonsten unvermeidliche exponentielle Aufschuldung effektiv zu unterbinden, gibt es leider nicht. Es gibt leider nur diesen „schmalen Weg“!

4. Zusammenfassung

a. Alternative Geldsysteme wie Bitcoins und Chiemgauer sind auch nur teilgedeckte „Geld“-Systeme, wenn sie ihrerseits von teilgedeckten „Geld“-Systemen wie dem Euro abgeleitet werden.

b. Auch in alternativen „Geld“-Systemen wie Bitcoins und Chiemgauer wird es zu Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zinsen kommen, weil auch in einem arbeitsteiligen Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Wirtschaftssystem durch Fremdkapitalaufnahme Zinslasten entstehen.

c. Auch in alternativen „Geld“-Systemen wie Bitcoins und Chiemgauer wird es zu Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zinseszinsen kommen, wenn eigentlich fällige Bitcoin- bzw. Chiemgauer-Zinsraten nicht geleistet und stattdessen aufgeschuldet und in der nächsten Zeitperiode mitverzinst werden.

5. Ergebnis

Alle diese alternativen „Geld“-Systeme halten damit regelmäßig nicht das, was sie versprechen. Nichts von diesen wohllautenden Schalmeienklängen ist wahr. Es gibt keinen „breiten Dritten Weg“!

Wenn Ihnen ein Anhänger dieser alternativen „Geld“-Systeme das Gegenteil weismachen will, dann wissen Sie nun, daß diese alternativen „Geld“-Systeme nichts als Lug und Trug sind!

Besonders peinlich wird es immer dann, wenn dieser Lug und Trug auch noch von einer ganz normalen Sparkasse verbreitet wird. Auf Ihrer Internetseite stellt die Sparkasse Bad Aibling den Chiemgauer doch tatsächlich als ernstzunehmendes alternatives „Geld“-System dar. Dabei sollte doch gerade ein Kreditinstitut wie die Sparkasse Bad Aibling diesen Lug und Trug durchschaut haben. Daher sollten Sie es sich vielleicht doch noch einmal überlegen, ob Sie ihr Geld wirklich der Sparkasse Bad Aibling anvertrauen wollen. (Stichwort Bad Aibling: War da nicht mal was? Nachtigall, icke hör' Dir trapsen!)

In jedem Falle sollten Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, von solchen Anhängern alternativer „Geld“-Systeme nicht in die Irre führen lassen. Und sich vor allem nicht ihre sauer verdienten Euros derart billig aus der Tasche ziehen lassen. Sie werden sie im Zweifel nie wieder sehen (Stichwort Insolvenzrisiko!).

In diesem Sinne: Sapere aude!

© 2014 Markus Bechtel. Alle Rechte vorbehalten.
Degussa Bank (BLZ 500 107 00), Kto. 205 68 56
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